03 Dez. A2® Anwender-Symposium: Transparenz durch umfangreiche Daten
A2® Anwender-Symposium: Transparenz durch umfangreiche Daten
In der historischen Kulisse des Centrums für Anatomie der Charité Berlin fand am 8. November 2024 das A2® Anwender-Symposium unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Stefan Budde, Bielefeld, und Dr. Sebastian Meller, Berlin, statt. Umfangreiche Studien- und Registerdaten zeigen nach fast neun Jahren transparent, was mit dem A2® Kurzschaftsystem geht. Und es geht viel, wie die Experten feststellten: Der A2® Kurzschaft ist breit einsetzbar und nimmt mehr und mehr die Rolle eines Standardschaftes ein. In speziellen Situationen kann er sogar als echter Problemlöser verwendet werden.
Umfangreiche Daten für den A2® Kurzschaft
Seit seiner Erstimplantation im Januar 2016 blickt das A2® Kurzschaftsystem auf einen Erfahrungszeitraum von mittlerweile fast 9 Jahren zurück, der über die Jahre konsequent mit Studiendaten (klinische Prüfungen, Anwendungsbeobachtungen und Registerdaten) unterfüttert wurde. So referierte Prof. Dr. Stefan Budde, Bielefeld, über die Ergebnisse der Radiostereometrie-analyse (RSA). Mit der Methode werden präzise postoperative Mikro-Bewegungen eines Implantats gemessen, so dass verlässliche Aussagen über das Migrationsverhalten und die Osseointegration gemacht werden können. Die radiostereometrische Analyse startete mit einer Baseline-Messung vor der ersten Belastung und wurde mit Nachuntersuchungen nach 1 Woche, 6 Wochen, 3 Monaten und 6 Monaten durchgeführt, um die Frühmigration in den Blick zu nehmen. Das Ergebnis: 67 % der beobachteten A2® Kurzschäfte hatten bereits eine Woche nach dem Eingriff ihre endgültige Position erreicht und migrierten nicht mehr. Im Verlauf zeigten die Implantate eine zügige und vollständige Stabilisierung und eine gute Osseointegration.[1] Dieses Migrationsschema, so Prof. Dr. Budde, lasse sehr positive Rückschlüsse auf die Langzeitprognose und Sicherheit des Implantates zu.
Dr. Sebastian Meller, Berlin, konzentrierte sich auf mögliche Vorteile der Kurzschaftversorgung bei der Vermeidung von Komplikationen wie z.B. Infektionen. Eine Registerstudie, die statistisch die EPRD-Registerdaten 2022 um Einflussfaktoren wie Patientenalter, -geschlecht, Co-Morbiditäten, Klinikvolumen sowie verwendete Gleitpaarungen bereinigt hatte, zeigte, dass die Revisionsrate von Kurzschäften bei primärer HTEP aufgrund von Infektionen deutlich geringer als bei den Standardschäften ist.[2]
Zudem berichtete Dr. Meller über eine eigene noch nicht publizierte prospektive, monozentrische randomisierte Studie. Die 40 Patienten wurden von einem Operateur über den minimal invasiven anterolateralen Zugang entweder mit einem A2® Kurzschaft oder mit einem SL-Plus MIA Geradschaft versorgt. Es wurden radiologische, klinische und laborchemische Parameter erfasst. Nach abgeschlossenem 6-Monats-Follow-up zeigte die Kurzschaft-Implantation signifikant weniger Weichteil-Irritationen sowie eine Tendenz zu weniger glutealen Muskel- und Sehnenschäden. Eine mögliche Erklärung könne das minimal invasive Einbringen des Implantats mittels „Round the corner“ Technik sein, mutmaßte Dr. Meller. Ein Abschluss der Auswertungen und die Publikation der Daten sei für Anfang 2025 geplant.
Mario Frank, Mitglied der Geschäftsleitung der ARTIQO GmbH, legte den Fokus auf die noch laufende prospektive Multicenterstudie zum zementfreien A2® Kurzschaft. Von den insgesamt n = 171 eingeschlossenen Patienten liegen größtenteils die 3-Jahres Nachuntersuchungen vor (n=153 Patienten). Die Studie erfasst intraoperative Parameter sowie klinische Scores (PROMS) und radiologische Auswertungen. Zudem wurde die Verankerung (diagonal oder Fit & Fill) ausgewertet. Grundsätzlich seien nur wenige Komplikationen mit Bezug zum Implantat und/oder der Prozedur dokumentiert. Es gebe keine Infektion und keine Schaftrevision. Die PROM-Scores (HHS, FJS, UCLA und Range of Motion) zeigten allesamt eine positive Entwicklung im Vergleich zu den Benchmarks. Besonders erfreulich sei eine sehr geringe Rate an unerwünschten knöchernen Veränderungen, die das Schaftdesign mit der proximalen Verankerung bestätige.
Neben den prospektiven Studien geben die EPRD-Registerdaten einen guten Einblick in die deutsche Versorgungsrealität. Der zementfreie A2® Kurzschaft weist auch im jüngsten Jahresbericht 2024 eine sehr geringe Ausfallwahrscheinlichkeit von 2,7% innerhalb von sieben Jahren auf. Damit nehme der Schaft erneut eine Spitzenposition in der elektiven zementfreien Hüftprimärversorgung ein, so Frank. Der zementierte A2® Kurzschaft findet sich erstmals im Register mit 403 Versorgungen in der Nachverfolgung und einer Ausfallwahrscheinlichkeit von 1,6% innerhalb eines Jahres.[3]
Dr. Dirk Ganzer, Altentreptow, widmete seinen Vortrag dem zementierten A2® Kurzschaft. Er mache es möglich, dass die Kurzschaftvorteile – Knochenerhalt, anatomische Rekonstruktion, Minimalinvasivität – auch geriatrischen Patienten mit schlechter Knochenqualität zugutekommen könne. In Altentreptow kam der zementierte A2® Kurzschaft seit Dezember 2020 148-mal zum Einsatz. N = 63 Patienten (42 Frauen, 21 Männer) wurden in eine prospektive Multicenterstudie eingeschlossen. Die Patienten waren bei der OP 75,5 ± 4,3 Jahre alt und hatten einen BMI von 27,4 ± 3,2 kg/m2. Für n= 60 Patienten liegt das 1-Jahres-Follow up vor. Die PROM-Scores (HHS, HOOS-PS, UCLA und FJS) zeigen allesamt eine deutliche Verbesserung. Die Komplikationen sind gering. Derzeit laufen die 3-Jahres-Nachuntersuchungen. Inzwischen setze das Team in Altentreptow fast nur noch zementierte Kurzschäfte zulasten der zementierten Geradschäfte ein, konstatierte Dr. Ganzer.
Dr. Sebastian Meller, Berlin und Prof. Dr. Stefan Budde, Bielefeld
Der A2® Kurzschaft als Standardschaft und Problemlöser
Zu Beginn waren Kurzschäfte für jüngere und aktive Patienten reserviert. Auf Basis der verfügbaren Daten erweitert sich das Indikationsspektrum Schritt für Schritt, so dass sich der A2® Kurzschaft heute als Standardschaft etabliert und in speziellen Situationen sogar als Problemlöser in den Kliniken zum Einsatz kommt.
Dr. Ricarda Stauß, Oldenburg, zeigte die Vorteile von Kurzschäften bei der anatomischen Rekonstruktion auf. Die umfassende, noch unveröffentlichte CPAH-Klassifikation (Coronal Plane Alignment of the Hip) femoraler Morphotypen der Oldenburger Arbeitsgruppe bildet die große anatomische Variabilität des proximalen Femurs ab. Die Arbeitsgruppe überprüfte anhand virtueller Planung, mit welchem Schafttypus (Kurzschaft, anatomischer Schaft oder Geradschaft) der individuelle CPAH-Typus rekonstruiert werden könnte. Das Fazit: Ein Großteil der klassifizierten Kombinationen könne sehr gut mit einem Kurzschaft versorgt werden.
Dr. Thorsten Hillmann, Köln, zeigte anhand noch unveröffentlichter klinikeigener Studiendaten, wie einsatzfähig der Kurzschaft bei Hochbetagten ist. Wegen der Vorteile – kürzere OP-Zeit, weniger Trauma, signifikant weniger Luxationen – versorge man in Köln, so Dr. Hillmann, aktive Patienten zwischen 18 und 100 Jahren und mit guter Knochensubstand (Dorr Typ A und B) mit einem Kurzschaft. Ab einem Alter von 75 Jahren und schlechter Kochenqualität komme ein zementierter Kurz- oder Geradschaft zum Einsatz.
Auch bei Menschen mit Adipositas sei eine sichere Versorgung mit einem Kurzschaft möglich, betonte Dr. Hillmann. Eine klinikeigene Studie verglich die zementfreie Kurzschaftversorgung bei n=130 Patienten mit einem Body Maß Index (BMI) von ≥ 40 kg/m2 und n=120 Patienten mit einem BMI von 20-29,9 kg/m2: Die adipösen Patienten waren bei der OP im Durchschnitt jünger und in einem schlechteren körperlichen Zustand, die Operationen dauerten signifikant länger. Menschen mit Adipositas erleiden in der Regel mehr Komplikationen, das Luxationsrisiko ist unabhängig vom Implantat höher. Die Kölner Ergebnisse zeigten keine Frakturen in den beiden Gruppen und auch keine Unterschiede in den Scores. Luxationen und Revisionen traten häufiger bei den Menschen mit höherem BMI auf, allerdings ohne Signifikanz.
Dr. Njegos Cvorak, Mittersill (Österreich), wies in seinem Vortrag auf die steigende Zahl der Schenkelhalsfrakturen aufgrund der Demographie hin.[4] Diesem Problem müsse man sich stellen. Seine eigenen Daten zeigten bei der Versorgung mit Kurzschaft weniger Komplikationen als bei einer Osteosynthese, eine raschere Mobilisation und eine höhere Patientenzufriedenheit. Dr. Cvorak sieht – auch aufgrund der Minimalinvasivität – einen generellen Trend zur endopothetischen Versorgung von Schenkelhalsfrakturen.
Dr. Stephanie Kirschbaum, Berlin, wies auf ein Realitäts-Paradox bei der Versorgung älterer Patienten hin. Während es sich rein statistisch auf Basis der Literatur nicht empfehle, alte Patienten zementfrei zu versorgen, gebe es in Deutschland auch bei älteren Patienten eine Vorliebe für die zementfreie Versorgung. Über die Gründe ließe sich nur mutmaßen, so Dr. Kirschbaum. Eine zementierte Versorgung brauche mehr Zeit, erfordere Übung und berge das Risiko einer erhöhten Thromb-Emboliegefahr.
In der Diskussion kamen die Teilnehmer zum Schluss, dass die Versorgung nicht allein am Alter des Patienten festgemacht werden sollte. Mehr als zwei Drittel der anwesenden Operateure sprachen sich für die Knochenqualität als wichtigstes Kriterium aus.
Prof. Dr. Klaus-Dieter Kühn, Graz (Österreich), wies in seinem Vortrag darauf hin, worauf es bei einer modernen Zementiertechnik ankommt. Zu den Erfolgsfakoren zähle das Zementmischen unter Vakuum. Er plädierte für Mischsysteme, um ein homogenes und reproduziertes Mischen zu ermöglichen. Um das Embolisationsrisiko zu reduzieren, empfehle sich die Säuberung des Knochenbettes durch Jet Lavage / Pulse Lavage sowie die Auffüllung des Femurs von distal nach proximal. Eine distale Markraumsperre verbessere nicht nur das Zement-Knochen-Interface, sondern reduziere auch das Revisionsrisiko um 12%. Schließlich sorgten ein proximales Femursiegel und die Druckzementierung für die Verbesserung der Intrusion.
Weiterhin umsichtiger Einsatz notwendig
Bei aller Euphorie über die Entwicklung des Kurzschaftes von einer Nischenversorgung zu einer Versorgung für fast alle Fälle mahnten die Anwender zur Umsicht. Gemäß einer Hersteller-Sonderauswertung des EPRD erreiche der A2® Kurzschaft die besten Ergebnisse in Kliniken mit entsprechender Anwender-Routine, konstatierte Mario Frank. „Es ist wichtig den Kurzschaft nicht als Nischenprodukt für einzelne, ausgewählte Patienten anzusehen. Für Neueinsteiger mit weniger Routine bieten wir Fortbildungen und fachlichen Austausch an“, so Frank.
Und auch Prof. Dr. Budde gab den anwesenden Kurzschaftanwendern den Wunsch zu einem umsichtigen Einsatz des jungen zementierten A2® Kurzschafts mit auf den Weg: „Es liegt an uns, wie sich die Registerdaten entwickeln werden“, so Prof. Dr. Budde.
[1] Budde, S., Derksen, A., Hurschler, C. et al. Sci Rep 14, 3837 (2024). https://doi.org/10.1038/s41598-023-50829-3
[2] Steinbrück, A., Grimberg, A.W., Elliott, J. et al. Orthopäde 50, 296–305 (2021). https://doi.org/10.1007/s00132-021-04083-y
[3] EPRD Deutsche Endoprothesenregister gGmbH. Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) – Jahresbericht 2024. Berlin, 2024. DOI: 10.36186/reporteprd102024
[4] Veronese N, Maggi S. Injury. 2018 Aug;49(8):1458-1460. doi: 10.1016/j.injury.2018.04.015. Epub 2018 Apr 20. PMID: 29699731.
A2® Anwender-Symposium, Abschlussfoto