Die Reform ist für den Erhalt unseres Gesundheitswesens unvermeidlich

“Die Reform ist für den Erhalt unseres Gesundheitswesens unvermeidlich.”

Dr. Achim Dohmen

Die Krankenhausreform in NRW verändert die Versorgungslandschaft seit April 2025 spürbar. Wir haben mit Herrn Dr. Achim Dohmen, Chefarzt des Traumatologisch-Orthopädischen Zentrums West in Geilenkirchen, über seine bisherigen Erfahrungen mit der Reform gesprochen: Wie wirken sich die neuen Leistungsgruppen und die Zentrenbildung auf die regionale Kliniklandschaft aus? Und wie geht es wohl im Bund weiter?

ARTIQO: Die Krankenhausreform in NRW wird bundesweit aufmerksam beobachtet. Wie haben Sie als Chefarzt der Orthopädie und Unfallchirurgie den bisherigen Veränderungsprozess erlebt?

Dr. Dohmen: Wir sind in Geilenkirchen in einer Phase angekommen, in denen wir unsere Zukunftpläne konkretisieren können. Wir haben für alle orthopädischen Leistungsgruppen unsere Kennzahlen bekommen. Für uns als Maximalversorger ist das eine günstige Situation, denn wir dürfen das gesamte orthopädische Spektrum weiter anbieten. Die Kennzahlen entsprechen im Wesentlichen unserem Antrag und unseren Erwartungen, so dass wir uns jetzt darauf einstellen können, diese Versorgungsmengen auch realisieren zu können.

ARTIQO: Welche Auswirkungen sehen Sie im regionalen Umfeld im Kreis Heinsfeld und den angrenzenden Gebieten?

Dr. Dohmen: In der Region sehen wir nur drei Anbieter, die das volle orthopädische Leistungsspektrum anbieten können. Dann gibt es noch ein paar Häuser, die eine gewisse Anzahl an Primärhüftprothesen anbieten dürfen. Im Kniebereich ist die Situation für uns momentan noch diffus. Wir nehmen an, dass einige Anbieter komplett wegfallen werden. In welchem Maße kleinere Anbieter weiter auf dem Markt bleiben dürfen, können wir momentan noch nicht abschätzen.

Wir sind hier eine bettenarme Region. Grundsätzlich bedeutet das einen dramatischeren Eingriff in die regionale Krankenhauslandschaft, als ich es erwartet hätte.

ARTIQO: In der Diskussion taucht die Sorge auf, dass durch die Konzentration auf die Zentren dort nicht genug Ressourcen vorhanden sein könnten, um notwendige Eingriffe ohne Wartezeiten oder Überforderung der Strukturen erbringen zu können. Was denken Sie darüber?

Dr. Dohmen: Wir fürchten schon, dass sich die schlecht bezahlten Revisionseingriffe bei uns im Zentrum sammeln werden. Aktuell sind wir bei 100 Wechseln im Jahr. Vielleicht landen wir dann bei 200 – 300 Wechseln? Das wäre ein hoher Aufwand, den wir weder zeitlich noch wirtschaftlich gut abbilden könnten. Auch in der Primärendoprothetik wird es eine stärkere Patientensteuerung in die Zentren geben.

All das lässt sich aktuell noch nicht sagen. Aktuell beobachten wir, dass kleinere Anbieter mit Werbung noch versuchen, ihre Pfründe zu sichern. Wahrscheinlich in der Hoffnung, dass sie in eine bessere Verhandlungsposition kommen.

ARTIQO: In der Endoprothetik diskutieren wir schon lange Mindestfallzahlen, die nachweislich zur Verbesserung der Versorgungsqualität beitragen. Die EndoCert-Zertifizierung der DGOOC fordert dies ja auch. Die Konsequenz daraus ist ebenfalls eine Zentrenbildung. Ändert sich überhaupt so viel für die Endoprothetik?

Dr. Dohmen: Das stimmt. Dennoch ist das Ach und Weh von Seiten der Anbieter verständlich. Viele Kliniken stehen in den tiefroten Zahlen oder am schwarzroten Rand. Wenn jetzt eine Leistungsgruppe, die bislang stabile Erlöse garantiert hat, wegfällt, dann bekommen diese Kliniken massive wirtschaftliche Probleme. Und zwar in Gänze, nicht nur für die weggefallene Leistungsgruppe. Auch bei uns gibt es eine sehr deutliche Querfinanzierung anderer Kliniken, mit der die Versorgung ländlicher Gebiete aufrechterhalten wird.

ARTIQO: Was sagen Sie zur NRW-Reform: Geht Ihr Daumen hoch oder runter?

Dr. Dohmen: Die jetzige Krankenhausstruktur ist aus den verschiedensten Gründen nicht mehr tragbar. Wir haben ein zu großes stationäres Angebot und sehr viele marode Klinikstrukturen. Im ambulanten Bereich haben wir keine effektiven Strukturen, die diese Leistungsmengen auffangen könnten. Da muss sich dringend etwas tun.

Dann lassen Sie uns auf die Endoprothetikunternehmen schauen: Die Industrie hat in Deutschland stark gelitten, weil der Kostendruck der Kliniken an die Hersteller weitergegeben wurde. Das Preisniveau ist für die Unternehmen nicht zu stemmen. Das ist nicht tolerabel. Wir waren immer sehr innovativ in diesem Bereich und machen uns die Zukunft dort kaputt.

Auch demographisch laufen wir in eine Katastrophe, weil wir gar nicht mehr das Personal finden, um die Leistungen künftig zu erbringen. Viele, die wie ich die heutige Endoprothetik in hoher Stückzahl durchführen, gehen in den nächsten 2-10 Jahren in Rente. Das sorgt mich auch persönlich: Wer behandelt mich später?

Um Ihre Frage zu beantworten: Ich hoffe, dass die Reform grundsätzlich so durchgeführt wird, wie sie jetzt geplant ist. Ich halte das für richtig und unvermeidlich für den Erhalt des Gesundheitswesens. Und ich hoffe, dass sie nicht von den üblichen Lobbygruppen verwässert wird.

ARTIQO: Nun ist die Frage: Was passiert im Bund? Frau Warken hat vor der Sommerpause ein „Fort­ent­wicklungs­gesetz“ des Kranken­haus­versorgungs­verbes­serungs­gesetzes (KHVVG) von 2024 angekündigt. Womit rechnen Sie?

Dr. Dohmen: Ich denke, dass man das NRW-Modell grundsätzlich auf die anderen großen Bundesländer übertragen könnte. Ob das auch für die Stadtstaaten funktioniert, kann ich nicht sagen.

Ich gehe aber davon aus, dass Bayern die vollständige Übertragung des Laumann’schen Ansatzes auf den Bund verhindern wird und ein eigenes Modell favorisieren wird.

Ich habe Frau Warken bereits zwei Mal getroffen. Sie ist eine gute Zuhörerin und auch, wenn Sie fachfremd ist, sind ihre Ministerialbeamten noch dieselben. Sie werden den eingeschlagenen Weg mit Anpassungen weiterverfolgen und den Ländern mehr Mitspracherecht zubilligen.

ARTIQO: Was ist Ihr bisheriges Fazit aus der NRW-Reform?

Dr. Dohmen: Für mich persönlich heißt das: Ich muss noch sehr lange und sehr effektiv arbeiten und planen. Für den Betrieb bedeutet das: Wir müssen uns sehr dynamisch auf die Veränderungen einstellen. Und wir haben die Pflicht, mit dem Geld auszukommen, um den Menschen auch künftig eine vernünftige Leistung zu garantieren.