Anatomische Rekonstruktion? Ja, aber bitte einfach!

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Anatomische Rekonstruktion? Ja, aber bitte einfach!

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Kursbericht 4-motion® Workshop, 3. Juli 2021

Anatomische Rekonstruktion? Ja, aber bitte einfach!

Ist es noch zeitgemäß, alle Knie durchweg mechanisch auf 90°/90° Grad auszurichten? „Nein“ lautet die Antwort des „4-motion® Workshops: Bessere Outcomes mit kinematischem Alignment“, der am 3. Juli 2021 in Essen dank niedriger Covid-19 Infektionszahlen zum ersten Mal stattfinden konnte. Unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Henrik Schroeder-Boersch, Wiesbaden, diskutierten die Teilnehmer die Komplexität der Knieanatomie und verschiedene Alignmentstrategien, bevor sie unter Anleitung fachkundiger Instruktoren das 4-motion® Kniesystem praktisch am Präparat kennenlernten. Das Fazit der Teilnehmer: Endlich gibt es eine einfache und durchdachte Umsetzung für die anatomische Rekonstruktion.

Seit Jahren bestätige die Literatur zwischen 15% – 25% unzufriedene Patienten nach Knie-TEP, verwies Schroeder-Boersch auf die Studienlage. „Die Frage hat klinische Relevanz. Die Fachcommunity diskutiert in den vergangenen 5 bis 10 Jahren mehr und mehr die Abkehr von der 90°/90° Ausrichtung des Knies hin zu einem kinematisch-anatomischen Alignment“, erläuterte Schroeder-Boersch.

Für die anatomische Rekonstruktion ist die Wiederherstellung der natürlichen Gelenklinie das zentrale Element. „Wir sollten uns bewusstwerden, dass wir wieder dort hinwollen, wo die Knorpeloberfläche früher war“, fasste Schroeder-Boersch zusammen.

Zwei Drittel der Patienten haben eine 87°/87° Gelenklinie

Präoperative anatomische CT-Daten von 143 Patienten, die das Unternehmen ARTIQO im Zuge der Entwicklung der 4-motion® Knieprothese ausgewertet hatte, bestätigen die Häufigkeit einer nach medial geneigten Artikulationsebene. Etwa zwei Drittel der Patienten (n=92) wiesen eine varische Gelenkebene zwischen 80,5 und 87,9 Grad auf. Eine kleinere Gruppe (n=25) hatte immer noch eine leicht geneigte Ebene zwischen 88 und 89,5 Grad, während das letzte Sechstel (n=26) über eine neutrale oder etwas valgische Gelenkebene zwischen 89,6 bis 93,2 Grad verfügte.

„Die Rekonstruktion der Gelenklinie bedeutet auch, dass wir bei der Beugung des Kniegelenkes die Bewegung um die korrekte Achse erzielen“, betonte Schroeder-Boersch. Neben der korrekten Gelenklinie seien die Gleichmäßigkeit des Beuge- und Streckspalts sowie die Bandstabilität in den verschiedenen Beugestellungen eine wichtige Voraussetzung für ein gutes klinisches Ergebnis, ein stabiles Gelenk und eine gute Funktion. Gelinge dies nicht, veränderten sich die Abstände der Innen- und Außenbänder zur Gelenkoberfläche und damit die stabilisierende Funktion der Bandstrukturen. „Dann funktioniert das Knie nicht mehr, wie es soll, obwohl wir die Bänder in Ruhe lassen“, konstatierte Schroeder-Boersch.


Eine jüngst publizierte Metaanalyse bescheinigt dem kinematischen Alignment bessere Ergebnisse als dem mechanischen Vorgehen. In die Analyse flossen elf randomisiert-kontrollierten Studien, die den Einschlusskriterien entsprachen, mit 1.103 Patienten ein. Bei 553 Patienten erfolgte die Ausrichtung kinematisch, bei 550 Patienten mechanisch. Die Nachbeobachtungszeit lag überwiegend zwischen 6-24 Monaten. Der WOMAC-Score (599 Patienten) war in der kinematischen Gruppe mit 10 Punkten signifikant besser (p<0,001), ebenso der kombinierte Knee Society Score (KSS) mit 18 Punkten (p<0,001). Der KOOS Score, der Symptome, Schmerzen, Tätigkeiten des Alltags, Sport und Lebensqualität misst (291 Patienten), unterschied sich nicht signifikant zwischen den beiden Gruppen, während die Beugung (ROM) in der kinematischen Gruppe mit 5 Grad leicht besser war als in der Vergleichsgruppe. Zudem gab es deutlich weniger Ligament Release in der kinematischen als in der mechanischen Gruppe.

„Das sind schon sehr gute klinische Ergebnisse, die wir nicht ignorieren können“, betonte Schroeder-Boersch. Dafür brauche es allerdings ein Prothesensystem, das für eine anatomische Rekonstruktion konzipiert wurde und die Variabilität des menschlichen Knies abbilden könne.

Einfachheit und anatomische Rekonstruktion sind kein Widerspruch

Seit einem ¾ Jahr arbeitet Schroeder-Boersch deshalb mit dem 4-motion® Kniesystem: „Wer Ulli Bücken kennt, weiß, dass das anatomische Alignment seit Jahren sein Herzensthema ist.“ Dies sei keine exklusive Idee der Firma ARTIQO, sondern greife lediglich die Diskussion der endoprothetischen Community der letzten Jahre auf, die zunehmend am mechanischen Alignment zweifle. Mit dem 4-motion® Kniesystem gebe es jetzt ein System, das dieses Vorgehen erlaubt.

Das 4-motion® Kniesystem nähert sich diesem Thema aus drei Richtungen: Es verfügt über eine dreidimensionale präoperative Planung, patientenspezifische Schnittblöcke und Implantatkomponenten, die für eine individuelle anatomische Ausrichtung konzipiert und zugelassen sind.

„Die präoperative Planung und der Algorithmus folgen dabei dem aktuellen Stand der Literatur“, erklärte Mario Frank, Mitglied der Geschäftsleitung und Entwickler der ARTIQO GmbH. „Dem Operateur wird durch die 3D-Planung transparent gezeigt, wie die Komponenten auf Basis der „state of the art“ Planung positioniert werden.“ Um den präzisen Planungsvorgaben gerecht zu werden, werden patientenindividuelle Schnittblöcke gefertigt. Zudem wurde das 4-motion® Prothesensystem für die anatomische Rekonstruktion der Joint Line konzipiert und zugelassen. „Wir wollten vom Beginn der Entwicklung, dass die anatomische Variabilität der Gelenklinie rekonstruiert werden kann“, erläuterte Frank.

Ganz praktisch konnten sich davon auch die Kursteilnehmer an den verschiedenen Präparaten überzeugen. Anhand der dreidimensionalen Planung, die vorab mit dem Planungsalgorithmus erstellt worden war, den PSI-Schnittblöcken und den Implantatkomponenten wurden die Präparate den Vorgaben entsprechend anatomisch rekonstruiert. Das Fazit: Endlich gibt es eine einfache und durchdachte Umsetzung für die anatomische Rekonstruktion.

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Vortrag EKB Endokongress | ARTIQO Knie Symposium

4-motion® Kniesystem


Eindrücke vom 4-motion® Workshop am 3. Juli 2021 im TripleZ in Essen