25.–27.2. 2021 | EKB Endokongress | ARTIQO Knie Symposium

ARTIQO Knie Symposium

25.–27.2. 2021 | EKB Endokongress | ARTIQO Knie Symposium


25.–27.2. 2021 | EKB Endokongress | ARTIQO Knie Symposium

Konsequent anatomisch

Für eine patientenindividuelle und anatomische Rekonstruktion des Knies müssen Patientenanatomie, präoperative Planung, intraoperative Ausrichtung und das Implantatdesign zusammen betrachtet werden. Zu dem Ergebnis kamen die Referenten des ARTIQO Symposium „Personalisiertes Alignment in der Knieendoprothetik – Theorie und Praxis“ auf dem Endoprothetikkongress Berlin am 25. Februar 2021 unter dem Vorsitz von Henrik Schroeder-Boersch, Wiesbaden.

In seinem Vortrag „Warum Knie-TEP-Patienten individuell versorgen?“ (Prof. Dr. med. H. Schroeder-Boersch / Warum Knie TEP Patienten individuell versorgen?) erläuterte Prof. Dr. Henrik Schroeder-Boersch, Wiesbaden, anhand der Anatomie, warum die mechanische 90/90 Grad Prothesenpositionierung der letzten Jahrzehnte der Vergangenheit angehören und das Knie stattdessen anatomisch rekonstruiert werden sollte.

Anatomisch gilt: Jedes Knie ist anders. Mit dem Ziel einer anatomischen Rekonstruktion rücke automatisch die natürliche Gelenklinie in den Fokus, so Schroeder-Boersch. Die Tibia-Oberfläche sei selten rechtwinklig zur mechanischen Achse ausgerichtet, sondern oft um ca. 2-3 Grad nach medial geneigt. Entsprechend neige sich die distale Oberfläche des Femurs ebenfalls nach medial. Ein „Standard“-Knie habe deshalb oft einen lateralen distalen Femurwinkel von 87 Grad und einen medialen proximalen Tibiawinkel von 87 Grad. Dazu käme die Berücksichtigung der Beinachsen: „Eine Rekonstruktion der Joint Line bedeutet auch, dass wir die Rotation um die korrekte Achse erzielen“, stellte Schroeder-Boersch fest. Gelinge dies nicht, verändere sich die Bandspannung über den gesamten Bewegungsradius.

Wie oft ein nach medial geneigter Gelenkwinkel bei Patienten vorkommt, zeigte Schroeder-Boersch anhand der Auswertung präoperativer anatomischer CT-Daten von 143 Patienten, die das Unternehmen ARTIQO im Zuge der Entwicklung der 4-motion® Knieprothese vorgenommen hatte. Etwa zwei Drittel der Patienten (n=92) wiesen eine varische Tibianeigung zwischen 80,5 und 87,9 Grad auf. Eine kleinere Gruppe (n=25) hatte immer noch ein leichtes Varus zwischen 88 und 89,5 Grad, während das letzte Sechstel (n=26) über eine neutrale oder etwas valgische Achse zwischen 89,6 bis 93,2 Grad verfügte.

Das möglichst exakte Alignment ist ein Erfolgsfaktor für die KTEP

Welche Rückschlüsse lassen sich daraus für das passende Alignment ziehen? Immerhin gilt ein möglichst exaktes Alignment als wichtiger Erfolgsfaktor für das Langzeitoutcome nach Implantation einer KTEP, während ein inadäquates Alignment zu einer schlechten Funktion, einer geringeren Standzeit oder zur Implantatlockerung führen kann.

Das klassische mechanische Alignment wurde lange Zeit als die einzig adäquate Vorgehensweise betrachtet. Unabhängig von der präoperativen Anatomie zielt es durch orthogonale Knochenschnitte an Femur und Tibia in Beugung und Streckung auf eine gerade Beinachse ab. Dies bleibe, so Schroeder-Boersch, nicht ohne Folgen: „Auch wenn es uns gelingt, die Joint Line perfekt zu rekonstruieren, so gilt dies nur für das mediale Kompartment. Im lateralen Kompartment erfolgt fast immer eine Verschiebung der Joint Line, da distal weniger als die Prothesendicke reseziert wird.“ Dies führe zu einem zweiten Problem, einem veränderten Lauf der Patella. Bei kontrakten Gelenken werde durch die entstehende Imbalance häufig ein Ligament-Release erforderlich.

Abschied vom mechanischen Alignment

Johan Bellemans rüttelte 2012 am Goldstandard des mechanischen Alignments. Er hatte festgestellt, dass sich ca. jedes vierte Kniegelenk nach Abschluss des Wachstums in einer konstitutionellen Varusstellung befindet. Bellemans gab bei diesen Patienten der Unterkorrektur des Varus den Vorzug vor einem neutralen Alignment. Wolle man das Knie in einem Restvarus belassen, erläuterte Schroeder-Boersch, werde an der Tibia in 90 Grad reseziert, während das mediale Femur etwas überreseziert werde.

Schließlich beschrieb Howell zwei Jahre später das kinematische Alignment, das – anders als die klassische Methode – den tatsächlichen Knorpel- und Knochenverlust berücksichtigt und die ursprüngliche Knochenposition dreidimensional rekonstruiert. Als Problem formulierte Schroeder-Boersch, dass bei einer Rotationsausrichtung parallel zur Kondylenlinie die Femurkomponente in Relation zur Patella eher innenrotiere. Um den Druck auf das Patellagleitlager zu verhindern, müsse deshalb das Femurgleitlager des Implantats angepasst werden.

Bessere Outcomes mit kinematischem Alignment


Eine jüngst publizierte Metaanalyse bescheinigt dem kinematischen Alignment bessere Ergebnisse als dem mechanischen Vorgehen. Die elf randomisiert-kontrollierten Studien, die den Einschlusskriterien entsprachen, umfassten 1.103 Patienten. Bei 553 Patienten erfolgte die Ausrichtung kinematisch, bei 550 Patienten mechanisch. Die Nachbeobachtungszeit lag überwiegend zwischen 6-24 Monaten. Der WOMAC-Score (599 Patienten) war in der kinematischen Gruppe mit 10 Punkten signifikant besser (p<0,001), ebenso der kombinierte Knee Society Score (KSS) mit 18 Punkten (p<0,001). Der KOOS Score, der Symptome, Schmerzen, Tätigkeiten des Alltags, Sport und Lebensqualität misst (291 Patienten), unterschied sich nicht signifikant zwischen den beiden Gruppen, während die Beugung (ROM) in der kinematischen Gruppe mit 5 Grad leicht besser war als in der Vergleichsgruppe.

Das 4-motion® Kniesystem: Für ein personalisiertes anatomisches Alignment

Für ein konsequentes anatomisches Alignment kommt neben der präoperativen Anatomie und der Ausrichtungsstrategie dem Implantatdesign eine besondere Bedeutung zu. Während den Standardimplantaten hier Grenzen gesetzt sind, ist das 4-motion® Kniesystem explizit für ein anatomisches Alignement geschaffen worden: „Das personalisierte anatomische Alignment könnte durchaus eine Möglichkeit sein, die Zufriedenheit unserer Patienten zu erhöhen“, meinte Schroeder-Boersch.

Das 4-motion® System geht das anatomische Alignment in gleich drei Systembereichen an, wie Mario Frank, Mitglied der Geschäftsleitung und Entwickler der ARTIQO GmbH, in seinem Vortrag erläuterte (M. Frank / Umsetzung des personalisierten Alignments mit dem 4-motion® Knie): Das System verfügt über eine dreidimensionale präoperative Planung, patientenspezifische Schnittblöcke und Implantatkomponenten, die für eine variable und anatomische Ausrichtung konzipiert und zugelassen sind.

Das Herzstück: Der Planungs-Algorithmus des 4-motion® Systems

Die präoperative Planung hat beim 4-motion® Kniesystem einen zentralen Stellenwert. Der Operateur „füttert“ die webbasierte dreidimensionale Planungsplattform mit den Patientendaten, dem gewünschten OP-Termin und Informationen zur Beinachse (varus, neutral, valgus), der Deformität (Tibia und/oder Femur) sowie optional zur Weichteilsituation und dem Grad der Instabilität. „Grundsätzlich sind zwei Planungsvarianten möglich: eine rein knöcherne Ausrichtung auf Basis von CT-Daten oder zusätzlich die Einbeziehung der Weichteilsituation und Belastungsachse“, erklärte Frank. Zudem lädt der Operateur die CT-Aufnahme in das System.

Auf Basis dieser Daten erhält der Operateur ca. eine Woche später ein präzises dreidimensionales CAD-Modell des pathologisch veränderten Patientenknies sowie einen detaillierten, präoperativen Vorschlag, den er selbst interaktiv am Computer prüfen und verändern kann.

Der Vorschlag folgt dabei einem speziellen Planungsalgorithmus, der auf die patientenindividuelle Anatomie eingeht. Die Positionierungsvariabilität werde durch drei Freiheitsgrade erreicht, so Frank: Die Rekonstruktion der femoralen Gelenklinie ermögliche einen LFDA von 87-90 Grad und für die tibiale Gelenklinie einen MPTA von 87-90 Grad. Die Rekonstruktion der mechanischen Achse reiche von 3-0 Grad. Das Ziel sei die Vermeidung oder Minimierung von Überresektionen und Offsetverlust bzw. von asymmetrischer Aufdickung durch die Prothese.

4-motion®Implantate: zugelassen für die anatomische Rekonstruktion

Nach Freigabe der Planung durch den Operateur werden die patientenspezifischen Schnittblöcke zur operativen Umsetzung der hochpräzisen dreidimensionalen Planung hergestellt. Eine weitere Besonderheit des Systems ist es, dass die 4-motion® Implantatkomponenten für die anatomische Rekonstruktion konzipiert und zugelassen wurden. „Dies macht sie gegenüber herkömmlichen Implantaten besonders, da eine Variabilität in der Komponentenpositionierung (LDFA- und MPTA-Spektrum von jeweils 90-87 Grad) für eine anatomische Rekonstruktion der Gelenklinie möglich ist“, betonte Frank.


Nicht nur das Weichteil-Release kann so verringert werden. Durch die anatomische Positionierung ist zudem keine Außenrotation der Femurkomponente notwendig, was für eine bessere Rekonstruktion des dorsalen Offsets sorgt. Durch die anatomische Positionierung des Femurs beträgt der Q-Winkel der Patellagleitfläche 9 Grad.

 

Der runde PSA Tibiakiel für eine variable Tibiaposition

Eine variable Tibiaposition bis zu 87 Grad: Kann es hier nicht zu biomechanischen Überlastungen des Knochenlagers kommen? Immerhin hat eine homogene mediolaterale Kraftverteilung Einfluss auf die Implantatlebensdauer. Die ARTIQO-Entwickler des 4-motion® Systems haben sich auch damit eingehend beschäftigt. Das Ergebnis: eine Tibiakompontente mit rundem Tibiakiel für ein patientenspezifisches Alignment (PSA). Dass diese Rechnung aufgeht, zeigte Dr.-Ing. Philipp Moewis vom Julius-Wolff-Institut für Biomechanik und muskuloskeletale Regeneration an der Charité Universitätsmedizin Berlin (Dr. Ing. P. Moewis / Variable Tibia Position? Eine FEM-Analyse) in seinem Vortrag.

Mit einer Finite-Elemente-Analyse überprüfte Moewis, wie die Ausrichtung der PSA-Tibiakomponente die proximale knöcherne Beanspruchung beeinflusst. Bei der Methode wird die Implantatkomponente mathematisch in kleinste Teilgebiete („finite Elemente“) (wikipedia.org/wiki/diskretisierung) aufgeteilt, damit ihre physikalische Reaktion auf Kräfte und Lasten berechnet werden kann. Das physikalische Verhalten der gesamten Implantatkomponente ergibt sich aus den Lasten und Reaktionen am Übergang zwischen den kleinsten Elementen.

Homogene Krafteinleitung auch bei 3 Grad Neigung

Moewis verglich die Beanspruchung der Tibia durch die PSA Tibiakomponente zwischen einem mechanischen Alignment (90 Grad) und einem anatomischen Alignment (87 Grad), jeweils mit normaler und mit 5 Grad interner und externer Malrotation.


Der PSA Tibiakiel zeigte eine homogene mediolaterale Kraftverteilung sowohl bei mechanischem als auch bei anatomischem Alignment. Auch bei Malrotation liegt die Beanspruchung des Tibiaknochens im physiologischen Bereich. Im Vergleich zu früheren Untersuchungen mit Standard-Kielformen sei bei der PSA Tibiakomponente eine homogenere mediolaterale Lastverteilung zu erkennen, schloss Moewis.

Das 4-motion® Kniesystem in der klinischen Anwendung

Von der Wissenschaft in die Praxis führte der abschließende Vortrag von Schroeder-Boersch (Prof. Dr. med. H. Schroeder-Boersch / Erste klinische Daten / Fallbeispiele) über die klinische Anwendung des 4-motion® Systems. Anhand einiger Fälle zeigte er den Workflow von der präoperativen Planung bis zum Ergebnis in der postoperativen Röntgenkontrolle. Sein Fazit: Die präoperativen Tibianeigungen konnten durchweg wiederhergestellt werden, und dies sowohl in 87 Grad als auch in 90 Grad je nach individueller Ausgangssituation des Patienten und mit demselben Instrumentarium.

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