07 Juli Periprothetische Infektionen: Dem Einfluss des Schaftdesigns auf der Spur
Periprothetische Infektionen: Dem Einfluss des Schaftdesigns auf der Spur
Welchen Einfluss hat das Implantatdesign auf das Infektionsgeschehen? Nach ersten Erkenntnissen auf Basis der EPRD-Registerdaten [1], vertieft nun eine noch nicht publizierte, prospektive und randomisierte Studie von Dr. Sebastian Meller, Universitätsklinikum Charité in Berlin, das Thema. Das Ergebnis kurzgefasst: Der Kurzschaft ermöglicht eine präzisere Rekonstruktion der Hüftgeometrie und die minimal-invasive Implantationstechnik die sich in einer reduzierteren Muskelverfettung und in niedrigeren laborchemischen Markern für Gewebeschäden zeigt. Wir haben mit Herrn Dr. Meller über die Details des Studiendesigns, die Erkenntnisse aus der Studie sowie über mögliche nächste Schritte gesprochen.
Infektionsrisiko: Prävention und interdisziplinäre Zusammenarbeit sind entscheidend
Periprothetische Infektionen sind eine ernsthafte Komplikation bei Gelenkimplantationen. Dr. Sebastian Meller leitet die Sektion Hüftchirurgie und Periimplantäre Infektionen am Universitätsklinikum Charité Berlin, Campus Virchow Klinikum, und erläutert, welche patientenbezogenen und operativen Risikofaktoren eine Rolle spielen....

Mit der Gleichung „Kurzschaft = minimalinvasiv = weniger Infektionen“ wirbt die Industrie seit fast 20 Jahren. Stimmt das denn?
Dr. Meller: Diese Gleichung ist plakativ, aber nicht ganz unberechtigt. Der Kurzschaft erlaubt durch sein Design eine muskelschonendere und weniger irritative Implantation. Ob das langfristig auch zu weniger Infektionen führt, muss sich noch herausstellen.
Ihre Studie beschäftigt sich mit der „Einflussgröße Schaft“ auf das Infektionsgeschehen. Was waren Ihre Vorüberlegungen für das Studiendesign?
Dr. Meller: Unser Ziel war es, das biomechanische und weichteilspezifische Verhalten zweier unterschiedlicher Schaftdesigns zu vergleichen. In der prospektiven, randomisierten Studie wurden 40 Patientinnen und Patienten von einem Operateur über den minimal invasiven anterolateralen Zugang versorgt – entweder mit einem kalkargeführten A2® Kurzschaft oder mit einem SL-Plus MIA Geradschaft (Smith & Nephew). Wir haben dann die Muskelverfettung mittels MRT-Analyse vorgenommen sowie die Geometrie (Offset, Antetorsion etc.) radiologisch und einer MRT-3D-Analyse und das Muskeltrauma laborchemisch evaluiert.
Was ist das Ergebnis Ihrer Studie?
Dr. Meller: Nach abgeschlossenem 6-Monats-Follow-up führten beide Implantate zu sehr guten funktionellen Ergebnissen. Der Kurzschaft ermöglichte jedoch eine konsistentere Rekonstruktion der individuellen Anatomie, eine geringere muskuläre Verfettung, insbesondere des M. gluteus medius et minimus, sowie eine geringere Variabilität bei der Wiederherstellung der Antetorsion und des anterioren Offsets.
Laborchemisch haben wir die CK- und Myoglobinwerte zur objektiven Quantifizierung intraoperativer Weichteilschädigung herangezogen. Diese Laborwerte spiegeln den Muskelzellschaden wider – niedrigere Werte bedeuten also potenziell weniger Weichteilverletzung durch die OP. Bei den Kurzschäften zeigte sich ein geringeres Trauma mit niedrigeren CK- und Myoglobinwerten. Klinisch war der Harris Hip Score in beiden Gruppen exzellent (>97 Punkte nach 6 Monaten).
Welche Erkenntnisse leiten Sie aus den Ergebnissen ab?
Dr. Meller: Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Kurzschaft durch sein Design eine anatomischere, konsistentere Rekonstruktion ermöglicht – mit gleichzeitig geringerer muskulärer Schädigung. Das ist laborchemisch durch die niedrigeren CK- und Myoglobinwerte nachweisbar. Weniger Trauma könnte sich infektionsprotektiv auswirken. Langfristig könnte es Vorteile bei Rehabilitation, Luxationsverhalten und Prothesenstandzeit. Ob es langfristig auch zu weniger Infektionen führt, ist aktuell noch nicht abschließend geklärt. Eine Auswertung der EPRD-Registerdaten zeigen bei den Kurzschaftversorgungen zumindest tendenziell niedrigere Revisionsraten was periprothetische Infektionen angeht.[1]
Wie lautet Ihr Fazit speziell zur Kurzschaftversorgung?
Dr. Meller: Kurzschäfte bieten echte Vorteile: Knochensparendes, weichteilschonendes Operieren, verbesserte Rekonstruktion der Hüftgeometrie, geringere Muskelverfettung. Er bietet sich meiner Meinung nach als Standardschaft an. Die zementfreien Kurzschäfte, mit denen wir umfangreiche Erfahrungen haben, sind besonders geeignet für Patientinnen und Patienten mit guter Knochensubstanz. Sie müssen jedoch durch erfahrene Operateurinnen und Operateure implantiert werden. Wichtig ist die kritische Auswahl des Implantats: nicht jede Hüfte ist gleich.
Was wären gute nächste Schritte in der Kurzschaftversorgung?
Dr. Meller: Schenkelhalserhaltende, kalkargeführte und proximal voluminösere Kurzschäfte finden ihre Orientierung im Schenkelhals quasi automatisch und helfen so, die dreidimensionale Rekonstruktion des Drehzentrums sehr gut wieder einzustellen. Da man andererseits die Rotation des Schaftes nur begrenzt beeinflussen kann, stellt sich bei pathologischen Situationen die Frage nach einer prä- bzw. intraoperativen Bewertung der Schenkelhalsrotation. Des Weiteren brauchen wir multizentrische Studien mit größeren Kollektiven und längeren Follow-up-Zeiträumen – insbesondere zu Standzeiten, Infektionsraten und klinischen Endpunkten, um das Outcome langfristig zu bestätigen. Und schließlich wären im Sinne einer „individualisierten Endoprothetik“ eine digitale 3D-Planung und die intraoperative Navigation spannende Ansätze, um die chirurgische Präzision weiter zu erhöhen.
Die Studie wird voraussichtlich im 4. Quartal 2025 erscheinen.
[1] Steinbrück, A., Grimberg, A.W., Elliott, J. et al. Orthopäde 50, 296–305 (2021).
Link: https://doi.org/10.1007/s00132-021-04083-y

